Nahaufnahme einer Person im weißen Kittel mit Stetoskop um Hals und vielen Stiften in Brusttasche

Der behinderte Patient – Teil 3

Und weiter geht’s mit Haralds Krankenhaus-Geschichten…

Über die Einzelheiten meiner Behandlung und der nicht sehr aufregenden OP werde ich gnädig den Mantel des Schweigens hüllen. Da ich zwar mittels Kreuzstiches währen der OP schmerzfrei gemacht wurde sind mir Einzelheiten erinnerlich, die aber des Berichtens nicht wert sind.

Was des Niederschreibens doch wert ist, sind einige „Highlights“ aus meiner neuesten Krankenhauserfahrung:

Nun ist mir auch klar, warum ein Patient „Patient“ heißt. Rein zufällig bedeutet dieses Wort im Englischen „Geduld“. Und ja, man muss viel Geduld haben. Wie viele Stunden ich in der Zeit meines Krankenhausaufenthaltes gewartet habe – entweder auf einem Stuhl sitzend oder auf einem Gang im Bett liegend – lässt sich im Nachhinein nicht mehr zur Gänze rekonstruieren. Der Gedanke ich wurde vergessen ist jedenfalls mehr als einmal aufgekommen. Wobei ich meine letzte Hoffnung dabei auf die Reinigungskräfte gesetzt habe. Die müssen schließlich irgendwann alle Winkel und Ecken eines jeden Krankenhauses reinigen.

Nah super! Hin und wieder könnte man doch zumindest vorbeikommen und über die in etwa verbleibende Wartezeit informieren. Egal ob behindert oder nicht!

Zu Beginn etwas verstörend jedoch im Laufe der Zeit bekommt man in allem Routine: Menschen kommen ins Zimmer, schweigen (vielleicht nicken sie mir auch grüßend zu, aber wer weiß das schon…?), räumen irgendetwas herum und gehen dann wieder. Lediglich die ÄrztInnen waren durch den Rattenschwanz an anderen Personen, die sie im Gefolge hatten, leicht zu erkennen. Zum Glück, denn damit wusste ich: Jetzt kann ich meine alltägliche Frage stellen: „Wann komme ich hier raus?“. Manche haben dabei auf mich reagiert wie auf meinen nicht blinden Nachbarn auch und die Frage(n) nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet. Andere Ärzte und Ärztinnen sind mir dabei, und auch bei den diversen Untersuchungen, aber leider besonders unangenehm in Erinnerung. 

Körperkontakt schön und gut. Aber…

Diejenigen die sich unangenehm in mein Gedächtnis gebrannt haben, hatten die Angewohnheit mir über die Schulter oder noch schlimmer den Kopf zu streicheln. Nicht weil es für eine Untersuchung notwendig gewesen wäre oder sie versucht hätten mir etwas Wichtiges für mein inneres Auge zu erklären. Sondern weil sie wohl die eigene Unsicherheit überspielen oder kaschieren wollten. Körperlicher Kontakt sollte nicht unangenehm sein, gerade in einem Krankenhaus gehört dieser ja schließlich auch dazu – wie sonst sollten Untersuchungen stattfinden? Aber wenn diese Streicheleien eher an Trostversuche, die man einem Kleinkind angedeihen lässt, fühlt man sich nicht besonders ernst genommen.

Nah super! Ich habe meinen Erwachsenenstatus länger als einige dieser MedizinerInnen und genauso will ich auch behandelt werden.

In allen Krankenzimmern erwartet die PatientInnen eine Informationsmappe, die Wissenswertes über das Krankenhaus und die täglichen Routinen enthält. Unter Anderem enthält sie auch das Passwort für das W-LAN, welches zur Schonung der Kosten beim Mobilfunkanbieter doch recht nützlich ist. Auch der Zimmersafe wird darin erklärt. Denn manche Gegenstände will man doch lieber sicher verwahrt wissen, während man stundenlang auf irgendeinem Gang seine Zeit fristet. Ihr habt jetzt gedacht, dass die Mappe in Braille gedruckt ist oder digital zur Verfügung steht? Fehlanzeige!

Nah super! Wie funktioniert dieser Safe, wie ist das Passwort? Muss ich jetzt echt meinen Zimmernachbarn fragen?

Zum Thema „Barrierefreiheit in Krankenhäusern muss ich jetzt noch einige Worte verlieren und ich hoffe, dass sie auf offene Ohren stoßen:

Viele Kliniken sind über eine Drehtür zu betreten, einige wenige haben noch elektrische Schiebetüren. Neben den Drehtüren gibt es dann zwar wenigstens „Behinderteneingänge“, die Leitstreifen für blinde und sehbehinderte Menschen aber führen zur Drehtür. Damit das ein für alle Mal gesagt ist: Drehtüren sind nicht barrierefrei – weder im Rollstuhl noch als blinde Person. Selbst langsamere Menschen haben damit ihre Schwierigkeiten und für Kinder sind sie auch nicht ideal. Außerdem sollten Betreiber, Erbauer und Finanziers auch begreifen, dass ein separater Eingang für Menschen mit Behinderung dem Grundsatz der Inklusion widerspricht.

Hat man es also doch durch die Tür geschafft ohne mit dem Blindenstock hängen zu bleiben oder auf der falschen Seite auszusteigen, führt ein Leitstreifen zum Portier und… endet dort. Dies geschieht mit dem Argument, dass man vom Portier abgeholt und auf die gewünschte Station gebracht wird. Einerseits widerspricht das dem Grundsatz, dass auch behinderte Menschen das Recht haben sich selbständig und ohne fremde Hilfe fortzubewegen. Andererseits haben Portiere, gerade in großen Krankenhäusern auch andere Aufgaben als Concierge zu spielen, was für die abzuliefernden PatientInnen zu langen Wartezeiten führen und generell unangenehm sein kann. 

Da aber, so mein nächster Kritikpunkt, sowieso taktile Übersichtspläne fehlen, würde man als blinde Person sowieso nicht weit kommen… Eine Lösung für blinde Menschen bei diesem Problem sind Blindenführhunde. Jedoch ist vielen Krankenhausbediensteten die Tatsache verborgen geblieben, dass Assistenzhunde, zu denen auch Blindenführhunde, Servicehunde, Signalhunde, Epilepsiehunde und Diabeteshunde gehören grundsätzlich ohne Wenn und Aber überall im Krankenhaus Zutritt haben. Außer natürlich in sterilen Bereichen, aber dort haben allgemein die Wenigsten Zutritt. Hunde sind auch nicht schmutziger als Menschen und für ein Krankenhaus, welches die üblichen Hygienevorschriften befolgt, sollte dies kein Problem darstellen.