Ein Adventkranz mit vier brennenden Kerzen im Dunkeln.

Advent, Advent: Es darf ruhig etwas mehr sein

Es gibt im Laufe eines Jahres die Zeit für Menschen mit Behinderung, die von manchen herbei gesehnt, aber von vielen auch gefürchtet wird. Die Zeit der sogenannten „Besinnlichkeit“ oder auch des Mitleides, des Mitgefühles und der Herzlichkeit – kurz – die Adventszeit. Zufälligerweise findet in dieser Zeit auch das seit langem jährlich stattfindende Projekt „Licht ins Dunkel“ statt.

Für diejenigen, die bis jetzt im Ausland oder auf dem Mond gelebt haben, will ich kurz erklären, was „Licht ins Dunkel“ ist. Es fehlt, wie überall, auch im Behindertenbereich am lieben Geld. Vielversprechende Projekte können nicht durchgeführt werden, Tages- und Werkstätten wollen Anschaffungen tätigen, für die kein Geld da ist und auch keine Förderungen zu erhalten sind. Menschen mit Behinderung wollen ihre Wohnung barrierefreier gestalten und müssen sich alternative Finanzierungsmöglichkeiten suchen. Für all dieses und wo es auch immer im sozialen Bereich am Geld fehlt springt „Licht ins Dunkel“ ein. Die InitiatorInnen dachten einen guten Grund für Spenden gefunden zu haben und es funktionierte: Die Menschen spendeten!

Mittlerweile stellen sich TV-Sendungen, Veranstaltungen, Prominente aus Politik, Wirtschaft, Sport und von überall, wo man eben prominent sein kann in den Dienst der guten Sache. Größere und kleinere Unternehmen verzichten auf Weihnachtsfeiern – oder auch nicht –  spenden und können dabei ihr schlechtes Gewissen beruhigen. Die wenigsten dieser SpenderInnen haben wohl mit behinderten Menschen im echten Leben etwas zu tun… Das bringt mich zum gefürchteten und erwarteten Licht-ins-dunkel-Effekt. Misstrauische ZeitgenossInnen wollen nicht einen anonymen Vereinen, die sich tatsächlich für Menschen mit Behinderung einsetzen, ihr hart verdientes Geld überantworten, sondern direkte Hilfe leisten. So werden wahllos behinderte PassantInnen angehalten und mit Sach-, Geld- aber auch Wortspenden überhäuft. Auch jene die das gar nicht wollen.

Eines Tages, zu Anfang der Adventszeit auf meinem Arbeitsweg nach Hause, stand ich an einer Straßenbahnhaltestelle und wartete. Nichts zu denken war mein Sinn. Klar erkennbar behindert mit meinem weißen Stock und den Anstecker mit den drei schwarzen Punkten auf gelbem Untergrund. Plötzlich bekomme ich von jemandem etwas in die Hand gesteckt. Obwohl mir so etwas in der spendenfreudigen Weihnachtszeit öfter passiert, ist es doch immer überraschend und seltsam. Ich hatte keine Gelegenheit Muh oder Mäh zu sagen. Ich bekam etwas in die Hand gedrückt und die Person verschwand ohne sich mir erkennbar zu machen. Nach näherer Untersuchung der milden Gabe erkannte ich, daß es 2 Scheinchen waren und ich beschloss mit meiner Frau chinesisch essen zu gehen.

Füllen diese direkten Spenden doch die Haushaltskasse auf, könnte ich auf die Wort- und Sachspenden herzlich gerne verzichten. Der Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt, von Schokoladentafeln und anderen vermeintlichen Leckereien über Kuscheltiere bis zu Schals reichten die Geschenke bisher. Dank meiner 187 cm Länge, trage ich meinen Kopf glücklicherweise in für viele unerreichbarer Höhe. Aber im Rollstuhl sitzenden Freunden ist es auch schon des öfteren passiert, dass ihnen der Kopf gestreichelt wurde. Begleitet von tröstenden Worten und zumeist einer Frage: „Ist es schlimm im Heim?“ oder Ähnlichem.

Wenn all die großzügigen SpenderInnen aus der Wirtschaft zumindest ihrer Einstellungspflicht nachkommen und Menschen mit Behinderung als ArbeitnehmerInnen wahrnehmen oder der ORF keine Rückschritte in der medialen Inklusion beschließen würde und beispielsweise auch außerhalb der „seeligen“ Zeit Menschen mit Behinderung vor die Kamera ließe – etwa als ModeratorInnen oder ReporterInnen – und zu guter letzt PolitikerInnen Menschen mit Behinderung nicht nur als fotogenes, wahlkampf-förderndes Anhängsel begreifen würden, dürfte ich die Rechnung im chinesischen Restaurant hinkünftig selbst bezahlen, weil nur mehr wenige glauben, dass alle Menschen mit Behinderung im Heim wohnen und niemand mehr ein schlechtes Gewissen zu Weihnachten beruhigen müsste.