Blutdruckmessgerät auf weißem Hintergrund

Der behinderte Patient

Teil 1

Blinde Menschen haben nicht nur eine Beeinträchtigung, nämlich Blindheit, und werden auch von der Gesellschaft durch Vorurteile und Barrieren im Kopf an der Entfaltung und an der Teilhabe behindert, sondern können manchmal auch zu PatientInnen werden und müssen demzufolge einen stationären Aufenthalt in einem Krankenhaus absolvieren. 

Ich, selbst 30 Jahre lang in einem Krankenhaus beschäftigt, war, bis auf drei Tage Mitte der 90er Jahre, noch nie stationär aufgenommen worden. Also fieberte ich dem Termin meines Eincheckens entgegen. Ich hatte dann allerdings weniger Zeit dem großen Termin entgegenzufiebern, weil ich aufgrund eines Infektes wirklich fieberte und akut in mein Wunschkrankenhaus eingeliefert wurde.

Dieser Einlieferung, oder besser gesagt dem eigentlich geplanten Termin, ging aber ein Gespräch in besagtem Krankenhaus voran, der zehn Tage zuvor stattfand, wobei ich über die Vorteile und Risiken verschiedenster Narkosen aufgeklärt wurde.

Von einem Fettnäpfchen ins Nächste

Meine Begleitperson und ich betraten also das Spital, um besagten Termin hinter mich zu bringen und holten uns bei der Aufnahme eine Nummer. Diese, so erzählte mein Assistent, wurden auf einem Display in scheinbar leuchtenden Ziffern angezeigt und sollten zum Eintreten auffordern. Wie das funktioniert hätte, wäre ich alleine dort hingefahren, ist mir bis heute ein Rätsel denn das Geld für akustische Durchsagen fehlte scheinbar. An dieser Stelle sei angemerkt, dass es für blinde Menschen sehr schwer ist Persönliche Assistenz zu bekommen… 

Wir hatten uns endlich zu unserer Ansprechperson durchgekämpft – so glaubte ich zumindest – denn wir betraten einen kleineren Raum. Unschlüssig was jetzt zu passieren hat, stand ich einfach da und kannte mich null aus. Dann kam die Aufforderung meiner Begleitperson: „Du kannst reden, die Dame schaut dich an.

Nah super! Und woher genau soll ich – unterwegs mit Blindenstock, eindeutig aufgebrachten Blinden-Symbol und Assistenz, das wissen? Dachte diese Person, dass ich ihre Blicke spüren kann???

Nach dem üblichen einseitigen Austausch der Versicherungskarte beantwortete ich die Fragen der Dame und hielt die Hand hin, um die Versicherungskarte wieder entgegen zu nehmen. Aber diese wurde wohl meiner Begleitperson gereicht, denn meine Hand blieb ausgestreckt und wartete vergeblich.

Nah super! Der nächste Moment in dem ich mir richtig blöd vorkam.

Die nächste Herausforderung folgte sogleich: Mit Händen und Füßen, zumindest erahnte ich so etwas denn jegliche Navigation die ich mir aus „dorthin“ und „da links“ zusammenreimen konnte reichte nicht um bei der Navigation durch die unendlichen Weiten des Krankenhauses nicht behilflich sein. 

Nah super! Reden ist Gold und Schweigen ein Sch…

Endlich bei der für mich bestimmten Ambulanz angekommen wurde ich gebeten doch einmal Platz zu nehmen, wo, das durfte ich selbst herausfinden. Wieder einmal fragte ich mich, was Leute ohne Begleitperson machen… Die hatte aber jetzt selbst einen Termin und versprach mich in zwei Stunden wieder abzuholen. Wir waren beide der Hoffnung, dass ich dann fertig sein würde.

Nach 90 Minuten des Wartes kam endlich jemand und rief meinen Namen auf. Die Person forderte mich akustisch auf „mit zu kommen“.

Nah super! Wo lang? 

Es geht ja doch…

Entgegen meiner Erwartungen wurde ich gefragt, ob ich mich unterhaken wolle und so gingen wir in trautem Gespräch – nur unterbrochen von den Hinweisen meiner Begleitung auf Hindernisse – in den Ambulanzbereich.

Hervorragend! So soll es sein.

Dort angekommen legte meine Begleitung meine Hand auf die Liege und zeigte mir auch in welche Richtung mein edles Haupt liegen soll.

Hervorragend!  So soll es sein.

…oder doch nicht?

Dann fiel auf der Liege eine Krankenschwester – jedenfalls glaubte ich, dass es eine Schwester war, denn diejenige Person hat sich mir nicht vorgestellt – über mich her und begann an meinem rechten, also an dem ihr am nächsten befindlichen, Arm zu zerren.

Nah super! Wer sind Sie?

Nah super! Was tun Sie da? 

Dann habe ich es kapiert, mein Blutdruck wurde gemessen. Ist ja schließlich wichtig. Die Person war aber offensichtlich sprachlos ob meiner strahlenden Schönheit oder vielleicht auch meiner Blutdruck-Werte, denn eine Antwort auf meine interessierte Nachfrage über die Ergebnisse der Messung habe ich bis heute nicht bekommen. Vielleicht hat sie ihre Antwort ja auch gebärdet???

Nah Super! Reden. Reden. Bitte!

Fortsetzung folgt…